Was braucht es für den ‚Neuen Mann’?
Dieser Artikel wurde 2012 auf einem Blog veröffentlich, den es heute nicht mehr gibt.
Wie sieht sie nun aus, die Männlichkeit nach der Täterschaft?
Zusammen mit der, wie sie nun aussehen soll, hat diese Frage in den letzten Wochen und Monaten die Feuilletons der Republik durchgeistert. Eine Spontan-Antwort war: wie ein Waschlappen. So stehen sie nämlich da, die Kerle, geboren während der nun fast ein halbes Jahrhundert währenden Feldzüge des modernen Feminismus. Das Pathos und der Zynismus sind ernst gemeint: Diese ‚Waschlappen’ stehen vor ‚neuen Herausforderungen’ – mitten in einem Trümmerfeld.
Ihr (heterosexueller) Sex wurde zur Marterstätte der Erniedrigung, das Eheversprechen zum Pakt mit dem Teufel, die Familie zum Quell des informellen Berufsverbots, d.h. der Hausarbeit. Kurz: Die eine Hälfte der Menschheit wurde der anderen zum Problem.
Kein Wunder nun: Konfrontiert mit soviel Schuld (einer Erbsünde gleich) steigen die Befangenheiten. Zunehmend werden die Parameter einer gelungenen Männlichkeit, für jene, die sie ja leben müssen und wollen, immer undurchsichtiger und undurchsichtiger.
– Was damit konkret gemeint sein soll, ist Gott sei Dank schnell gesagt. Es ist nämlich jene Klage, übertitelt als Debatte um die ‚Neue Männlichkeit’ und geführt von FeuilletonistInnen (Die Zeit, Süddeutsche, FAZ, taz)[1], die nun im ‚inneren Gewoge’ (Gehlen) der Öffentlichkeit laut wird. Die Männer von heute seien keine ‚echten’ Männer mehr, hätten ihr Rebellentum abgelegt und dann ausverkauft. Das Häufchen Elend, was übrig geblieben sei, nennt man dann „Schmerzensmann“, „verkopft, gehemmt, unsicher, nervös und ängstlich, melancholisch und ratlos“ (Nina Pauer, Die Zeit vom 05.01.12). Das Gejaule der Überreflexion, der Melancholie und Gefühligkeit geht den Protagonistinnen der Debatte auf die Nerven.
Soweit das auch verständlich ist, wird man doch fragen müssen: Wie soll sich nun jene reflexionsstarke Generation von Männern, welche sich die Lehren und Argumente des Feminismus zu Herzen nahm, verhalten? Zurück zu John Wayne, Paul Newman und Clint Eastwood?
Ist das das Ideal – still, kernig, hart, (emotional) ungebunden... beziehungsunfähig? Man wird den Verdacht nicht los: das „Authentische“ kann auch mal ins Klischee abbröckeln. Und dann, wenn es so ums Geschlecht geht, hilft es auch nicht mehr, im viel zu selbstverständlichen Nebensatz „soziale Konstruktion“ zu prusten.
Denn die „Krise der Männlichkeit“ – um nur einige statistische Stichworte zu nennen: im Vergleich zu Frauen geringerer Bildungsgrad, niedrigere Lebenserwartung, drei mal höhere Suizidraten – ist in den Lebenswelten der Maskulinität angekommen. Und das heißt auch, wie Nina Pauer so stark unterstreicht, in den Mikrophysiken unserer Liebesbeziehungen.
Sicher kann man, wie Ralf Bönt es in seinem Buch „Das entehrte Geschlecht“ tut, einen Katalog von Forderungen stellen – z.B. weniger Karrierefixierung, mehr Vaterschaft, Aussetzen der Täterrolle in erotischen Kontexten.
Berührt man jedoch entweder (a) den intimen Kosmos der Partnerschaft und (b) die fragil gewordene Selbstbeschreibung des Mannes als Mann, kommt man schnell zu Lagen, die unübersichtlicher sind, als wenn nur einer verlangt, dass man ihm das Kranksein erlaube, ohne ihn deswegen gleich mit ‚Weichei’ abzustempeln.
Weil all dies so kontrovers wie kompliziert ist, darf man nicht um konstruktive und evtl. konkrete Ideen verlegen sein. Zwei Vorschläge zu den Stichworten von (a) und (b):
Heil, im emphatischen Sinne des Wortes, versprach und verspricht sich der –angloamerikanische – Feminismus von einer Konstellation zwischen den Geschlechtern, die in jeder Hinsicht symmetrisch ist. ‚In jeder Hinsicht’ meint nicht nur rechtlich, ökonomisch, politisch, wissenschaftlich, spirituell etc., sondern bezieht sich auf das Innenleben, die ziselierten Mechanismen, Arbeitsteilungen und Vereinbarungen der jeweiligen Liebesbeziehung. Auch dort kann alles beobachtet werden auf mögliche Unterdrückung, Vorteilsnahme und Dominanz des einen (männlichen) Parts über den anderen (weiblichen). Mit geschärften Augen und geschliffenen Messern soll die Ungleichheit, als (z.B. sprach-)struktureller Sexismus schließlich überall aus dem Schatten ans Licht gezerrt und mit dem Schwert der Metareflexion hingerichtet werden. Allerdings! auf der makrologischen Ebene der gesellschaftlichen Subsysteme ist das etwas ganz anderes als auf der mikrologischen Ebene von Intimitäten. Wir müssen demnach unterscheiden: Einmal gibt es die schädigende, großräumige Asymmetrie (im Recht, der Ökonomie, der Politik, etc.). Daneben steht die positive, produktive, kleinteilige Asymmetrie, welche uns zueinander (hin)zieht, Spannung aufbaut, Lust bereitet, Leben bereichert.
Denn so böse und verdammenswert jene Asymmetrien, die durch Gesetzestexte gedeckt sind, auch sein mögen, so begrüßenswert scheinen sie, wenn man z.B. verführt oder verführt wird.
Der Solgan, das Private sei politisch, ist veraltet. Er hat das mit ihm verbundene Versprechen nicht eingehalten, und viele Gräben gezogen, wo eigentlich Brücken notwenig gewesen wären, nein, sind.
Vorausgesetzt, wir akzeptieren das, sind wir noch nicht weit genug. Die ‚Krise’ der Männlichkeit zielt auf etwas weiteres: die Selbstbeschreibung jener prekären Maskulinitäten.
Es ist doch auffällig, dass Gespräche über Beziehungen, wenn sie unter Frauen geführt werden, einen anderen Charakter haben, als wenn sich Männer unter sich über das gleiche Thema unterhalten. Woran liegt das?
– Sollte diese Beobachtung nicht wiederum alte Klischees reproduzieren (man entkommt dem Zirkel schließlich nie endgültig), sondern einen Wahrheitskern besitzen, fragt man sich doch unweigerlich, wieso jene Dimension der Beziehungsarbeit – die intersubjektive Kommunikation und Reflexion – so viel weniger expansiv, d.h. detailreich ist, wenn sie in „Männer-runden“ stattfindet.
Schämen wir uns? Werden wir sofort zu „Softies“, wenn wir miteinander über unsere ‚Gefühle’, aber auch Strategien, Probleme, Fehlschläge und Errungenschaften (in) einer Beziehung sprechen (würden)?
Hat der Feminismus Frauen gezeigt, wie man sich zusammen darüber klar werden kann, was in den jeweiligen Liebesverhältnissen vor sich geht, fehlt dergleichen für die männliche Seite; wir könnten uns davon noch gut eine Scheibe abschneiden, und vielleicht würde uns dann einiges klarer. Zum Beispiel, dass jene „Krise der Männlichkeit“ eine neue Art, eine neue Kultur des miteinander Redens braucht. Zum Beispiel, dass wir eine neue Solidarität jenseits von Egomanie und Eitelkeit gewinnen müssen. Zum Beispiel, dass uns unsere Herrschaft nicht einsam, sondern gemeinsam beherrscht.
[1] Einen zusammenfassenden Überblick liefert folgender Blog: http://gabrielewolff.wordpress.com/2012/04/17/frauen-zwischen-schmerzensmannern-frauenquote-und-top-model-was-will-das-weib/Zugriff am 20.05.2012.
Comments