Als Ex-Literaturwissenschaftler blicke ich manchmal zurück auf jene vielen Seminare, Vorlesungen und Vorträge, die ich über die Jahre an den deutschen Universitäten gehört habe.
Nach solcher Retrospektiven auf Texte von und Diskussionen über strukturalistische Semiotik, literarischen Epochen, philosophierenden Theorien großen Romananalysen frage ich mich: wozu?
Was ist die Literaturwissenschaft anderes als ein Parasit der schöpferischen Imagination von Autor:innen?
Plausibel wird dis, wenn wir die erklärende Kommentarfunktion in ihrer Selbstgenügsamkeit betrachten. Das “Funktionssystem” Wissenschaft spuckt im Falle von Naturwissenschaft gelegentlich immerhin Technologien aus, die unsere Welt zum Teil grundlegend verändern oder das Potential dazu mitbringen. Aber Leute, die sich professionell mit Gottscheds Regelpoetik befassen, Wilhelm Raabes Unruhige Gäste durchleuchten, oder die deutsche Klassik kartographieren — wozu das alles?
Sie schaffen Wissen, könnte die Begründung sein. Mochte es den Gelehrten der Republik noch nie schmecken, Wahrheit braucht einen “cash value” (William James). Und ich behaupte, zumindest jener der Literaturwissenschaft nährt asymptotisch sich gegen Null, wenn man ihn mit der Tiefe von Shakespeares Dramen, David Foster Wallace Romanen oder, wegen mir, Michel Houellebecqs Romanen vergleicht. Für die Forschung mag das wohl stimmen, aber was ist mit der Lehre, wird man vielleicht einwenden.
Die Lehre? Wirklich? Als wenn irgendjemand dafür eine Professur bekäme. Sie ist in Deutschland eher eine oft lästige Pflichtveranstaltung denn Inspirationsraum für eine kommende Leserschaft.
Als jemand, der sich an der Schriftstellerei versucht, muss ich die eitle Nutzlosigkeit jenes Faches konstatieren, in das ich so viele Jahre verliebt war.
Aber sage Du es mir, Leser:in: Was bedeutet sie für Dich, die Literaturwissenschaft?
Ps.: Notable Ausnahmen:
Michael Baßler:
https://www.degruyter.com/document/doi/10.14361/pop-2021-100122/html
Harold Blum:
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Anxiety_of_Influence
Hans Ullrich Gumbrecht
https://www.jstor.org/stable/j.ctvjnrsb6?turn_away=true
Albrecht Koschorke
https://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/16724
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